Warum Preispsychologie bei Dienstleistungen besonders wichtig ist
Dienstleistungen sind nicht greifbar. Es gibt kein Produkt, das man anfassen oder vergleichen kann – und genau deshalb spielt die Preispsychologie in diesem Bereich eine besonders große Rolle. Kund:innen müssen abstrakte Werte beurteilen: Können sie dir vertrauen? Lohnt sich deine Leistung? Wie „hochwertig“ wirkt dein Angebot?
Als Expertin für Preisstrategie begleite ich seit vielen Jahren Selbstständige und Dienstleisterinnen auf dem Weg zu rentablen Preisen – ohne sich dabei zu verbiegen. In diesem Beitrag zeige ich dir, was du beachten solltest, welche psychologischen Effekte wirken – und wie du klug gegensteuerst.
Die besonderen Herausforderungen bei der Preisgestaltung von Dienstleistungen
Dienstleistungen zu bepreisen ist komplex. Warum?
- Intangibilität: Kund:innen können vor dem Kauf weder fühlen noch testen.
- Subjektive Wertwahrnehmung: Zwei Menschen nehmen denselben Service unterschiedlich wahr – je nach Vorerfahrung, Vertrauen, Auftreten.
- Vergleichbarkeit fehlt: Anders als bei Produkten gibt es oft keine direkten Referenzwerte.
- Zeit als Maßstab? Viele Selbstständige rechnen nach Stunden ab – und schaffen dabei eine Vergleichbarkeit, die eigentlich keine ist.
Viele meiner Kundinnen haben große Herausforderungen dabei, gesunde Preise zu erhalten und zu kommunizieren oder dem Preisvergleich auf dem Markt standzuhalten. Genau kann dir mehr Wissen über die Preispsychologie helfen.
Psychologische Effekte, die bei Dienstleistungen wirken
Der Preis als Qualitätsindikator
Bei Dienstleistungen fehlt uns oft die direkte Möglichkeit, die Qualität zu beurteilen. Wir können nichts anfassen oder wiegen oder das Zielprodukt direkt bewerten. Beispiele oder ehemalige Projekte geben einen Einblick, wie die Leistung am Ende aussehen könnte, aber auch das ist nicht immer möglich.
Unser Gehirn greift daher bei der Beurteilung der Qualität einer Dienstleistung auf einen anderen Faktor zurück. Der Preis ist hier ein wichtiger Indikator.
Aus diesem Grunde gibt es z. B. die Hochpreisstragie, auch Premiumpreisstragie oder Prestigepreisstrategie genannt. Eine Strategie, bei der besonders hohe Preise von der Exklusivität und den Premiumeigenschaften eines Produktes zeugen soll.
Studien zeigen, dass Konsumenten Produkte und Dienstleistungen mit höheren Preisen oft automatisch als qualitativ hochwertiger wahrnehmen, selbst wenn objektiv kein Unterschied besteht.
Warum ist das für dich wichtig, wenn du Dienstleistungen anbietest?
Weil dir immer bewusst sein muss, dass du
- mit deinen Preise deine Positionierung und Qualität unterstreichen kannst.
- die Beurteilung der Qualität von Dienstleistungen von vielen äußeren Faktoren (wie dem Preis) abhängt. Hast du z.B. eine sehr schlechte eigene Website spricht das nicht für deine Qualität – auch nicht dann, wenn Webdesign nicht dein Angebot ist.
Es bedeutet nicht, dass ist eine häufige Fehlinterpretation, dass du „teuer“ sein musst, ein Hochpreisangebot brauchst oder ähnliches.
Der Ankereffekt
Der erste Preis, den dein Gegenüber sieht, setzt einen psychologischen Anker. Beispiel:
- Du nennst zuerst einen Preis für eines deiner teuersten Produkte oder deine teuerste Leistung (z. B. für eine intensive 1:1-Begleitung).
- Danach erscheint dein Gruppenangebot oder digitales Produkt günstiger, obwohl es real betrachtet ebenfalls hochpreisig ist.
Nutze Preisanker gezielt in deinem Portfolio – besonders wenn du mehrere Angebote hast. Auch dieser Effekt ist wissenschaftlich untermauert und kann z. B. auch auf Speisekarten genutzt werden. So ist kaufen Kunden häufiger die teureren Gerichte, wenn auf der Speisekarte die teuren Gerichte weit oben stehen.
Du arbeitest mit Stundensätzen? Kein Problem! Hast du mal darüber nachgedacht, verschiedene Stundensätze für unterschiedliche Leistungen zu berechnen? Du kannst, z. B. einen höheren Stundensatz für hochwertigere Leistungen oder mehr Kundenservice berechnen. Ich habe z. B. Kundinnen, die bewusst höhere Stundensätze für ihre High-Need Kunden nehmen, wovon diese profitieren, u. a. durch schnellere Antwortzeiten oder bessere Erreichbarkeit.
Referenzpreise
Wir orientieren sich an Referenzpreisen, also an Preisen, die wir als „normal“ oder „fair“ empfinden – basierend auf eigenen Erfahrungen, Konkurrenzpreisen oder Werbung.
Das kennst du vielleicht, wenn du ein Produkt präsentiert bekommst und den Preis einschätzt, z. B. als angemessen, teuer oder günstig.
Dieser Referenzpreis wird oft unbewusst gebildet, daher können wir meist nicht genau sagen, woher die Einschätzung jetzt kommt.
Wird ein Preis über dem Referenzwert angesetzt, muss der wahrgenommene Wert der Dienstleistung entsprechend höher kommuniziert werden
Preisschwellen und Charm Pricing
Nach Preisschwellen werde ich besonders häufig gefragt. Viele Menschen reagieren empfindlich auf Preisschwellen und typische Preisschwellen liegen oft bei runden oder psychologisch markanten Zahlen, wie zum Beispiel 10 €, 20 €, 50 €, 100 €, 1.000 €. Wird eine Preisschwelle erreicht, wirkt der Preis deutlich teurer, obwohl der Unterschied oft nur in wenigen cent der € liegt. Preise wie 99€ statt 100€ oder 9,99€ statt 10€ wirken daher attraktiver.
Es gibt eine Einschränkung! Preisschwellen wirken bei qualitativ hochwertigen Produkte oder Premiumangeboten nicht auf die selbe Weise! Hier liegt die Qualität im Vordergrund und der Konsument hat einen anderen Fokus als den Preis.
Merke: Preisschwellen gelten vorallem im Massenmarkt – im Luxussegment weniger.
Dies ist dann für dich interessant, wenn du unterschiedliche Angebot hast und verschiedene Produktstrategie. Z. B. biete ich Ebooks an, diese haben gebrochene Preise und liegen unter Preisschwellen. Meine 1zu1 Begleitung ist ein sehr hochwertiges Produkt, hier habe ich glatte Preise und beachte Preisschwellen nicht, denn wer diese bucht achtet weniger auf den Preis, als auf den hohen Mehrwert.
Apropo. Bitte verwechsle Preisschwellen nicht mit gebrochenen oder glatten Preisen!
Gebrochene oder glatte Preise?
4,99€ oder 5€ glatt? Was findest du besser? Ohne Kontext vermutlich 4,99€. Auch wenn der Unterschied nur in einem Cent liegt, wirkt er doch deutlich größer.
Woran liegt das? Wir lesen Preise von Links nach Rechts und bewerten die Zahlen dabei nicht gleich.
Bei der Unterscheidung von 4,99€ statt 5,00€ lesen wir also zuerst die 4 und unser Gehirn freut sich, weil 4 doch deutlich weniger ist als 5. Die restlichen Zahlen werden mehr oder weniger ignoriert. Es entsteht daher der Eindruck, dass 4,99€ deutlich günstiger ist als 5€.
Der Unterschied zu Preisschwellen? Nicht jede Zahl ist eine Preisschwelle. Eine Preisschwelle sind häufig Zahlen die auf 0 Enden, aber auch nicht jede. 50€ ist z. B. eine klassische Preisschwelle. Dagegen ist es relativ egal ob ich jetzt 60€ oder 80€ nenne – hier ist der psychologische „stopp- teuer“ Effekt weniger vorhanden.
Bei der Frage nach gebrochenen oder glatten Preise betrifft das allerdings jede Zahl, unabhängig von Schwellen. Z. B. ist 60€ meist keine Preisschwelle, aber in Hinblick auf die Preisgestaltung kann ich schon überlegen ob ich 59,99€ oder 60€ schreibe.
Wann nutze ich glatte und wann gebrochene Preise? Wenn du ein Massenprodukt, ein digitales oder physisches Produkt hast, ist ein gebrochener Preis oft eine gute Wahl. Bei Stundensätzen, Dienstleistungen, Honoraren oder Luxusprodukten und -Leistungen sind es glatte Preise.
Für dich ist 60€ eine Preisschwelle? Gut möglich! Wir dürfen nie vergessen, dass jeder Mensch anders tickt und jeder andere Erfahrungen gemacht hat. Daher unterscheiden sich solche Sachen von Mensch zu Mensch. Die meisten würden allerdings in 60€ keine Preisschwelle sehen.
Übrigens, du kannst innerhalb deines Produktportfolios ruhig unterschiedliche Entscheidungen treffen! Z. B. Ebooks mit gebrochenen Preisen und Workshops mit glatten.
Fun-Fakt: Übrigens ist das etwas „regionales“! In anderen Ländern (z. B. in den USA – da habe ich gerade eine spannende Studie gelesen) werden häufiger glatte Preise verwendet und regen mehr zum Kauf an, da sie einfacher zu „handhaben“ sind. (Mitrechnen, was man gerade ausgibt ist halt einfacher, wenn man nicht ständig mit krummen Zahlen hantieren muss). Ein spannender Beweis dafür, dass unsere Preiseinschätzung sehr davon abhängt, was wir bewohnt sind!
Fazit
Preispsychologie ist super spannend und super wichtig! Wenn du psychologische Effekte verstehst, kannst du ganz effektiv daran arbeiten, wie deine Preise und Leistungen wahrgenommen werden.
Du hast keine Lust, dich durch das ganze durchzuarbeiten? Kein Problem! Ich kann dir innerhalb kürzester Zeit dabei helfen, denn mittlerweile habe ich alle wichtigen Effekte im Kopf und brauche nicht mehr groß überlegen.